[Blog] Ist das Pferd ein „Gewichtsträger“?

Ich höre in meiner Praxis immer wieder die Worte:

  • Mein Pferd ist ein Gewichtsträger
  • Pferde sind generell Gewichtsträger
  • Ich habe mir, meinem Gewicht entsprechend, einen Gewichtsträger gekauft
  • Es ist ein Kaltblut / eine robuste Rasse, also kann es Gewicht tragen

Wenn ich dann frage, was unter einem Gewichtsträger zu verstehen ist, wird allerdings nur mit den Schultern gezuckt, daher möchte ich heute etwas Aufklärungsarbeit leisten.

Früher (bei den Rittern / im Krieg) wurden die Pferde gebraucht, sie waren durch gute Zuchtselektion stabil, leistungsstark und für den Besitzer wertvoll, schließlich hing sein Leben von seinem Pferd ab.

Ein Pferd, welches in der Schlacht oder auf dem Weg dorthin, unter dem Reiter Schaden nimmt, wäre lebensbedrohlich und daher für die weitere Zucht uninteressant.

In den späten 70er Jahren fing man allerdings an, die Pferde leichter zu machen. Der Pferdesport wurde populär und auch Frauen sollten mit den Kraftpaketen zurechtkommen und die Landstallmeister einigten sich auf ein gemeinsames Zuchtziel für das „Deutsche Reitpferd“.

Ein Pferd, welches sich leichter „verbiegen“ (siehe Stellung und Biegung) lässt, ist auch nicht mehr in der Lage schwere Lasten zu tragen. Es ist im allgemeinen schlaksig. Der Prozess läuft nun schon über 40 Jahre und die Pferde werden noch weicher, noch beweglicher und filigraner.

Hier ein Vergleich:

Der Hengst ist von 1993. 3-Jährig sah er ohne großes Training so aus. Hier ist schon ein quadratisches Exterieur erkennbar. Trotzdem stieg damals ein ca 100 KG schwerer Mann, ohne Aufstiegshilfe, auf. Dieses Pferd stand wie ein Baum und wurde hochpreisig verkauft. – Foto privat


Dieses Bild zeigt einen Hengst von 2015, 4-Jährig ist er auf der Hengstschau nicht in der Lage gerade zu stehen. Er ist deutlich im stehenden Rechteckformat gebaut.

 

 


Es ist also ein Trugschluss zu glauben, dass die heutigen Warmblüter noch „gesund“ ein Fremdgewicht tragen können. Einige schaffen nicht mal mehr ihr eigenes Gewicht und laufen sich bereits auf der Weide kaputt.

Hier ist ein Beispiel dafür. Der 3-jährige, ungerittene, Wallach bricht vorne links unter seinem Gewicht ein. Auch hier haben wir elitäre Eltern als Vererber.


Robusten Rassen werden ebenfalls dynamisch angepaart. Teilweise gibt es neue Rassebezeichnungen mit dem Zusatz „Edel“, „Edelblut“ oder „Sport“. Hier lässt meistens nur noch die Farbe erahnen, dass es sich um eine stabile / robuste Rasse handeln soll.

Ein weiterer Punkt ist die Masse der Pferde. Gerade Shire Horses, Tinker, Haflinger – generell Kaltblüter – wirken durch ihre Größe und Fülle wie das ideale Pferd für kräftige Menschen. Ihre eigentliche Aufgabe war es aber, Wagen zu ziehen. Kaltblüter haben eine ganz andere Motorik, eine andere Statik und andere Muskelmassen als ein Warm- oder Vollblut, welche eher zum Reiten genutzt werden.

Wer also ein Fahrpferd als Reitpferd nutzen möchte, hat neben dem normalen körperlichen Training auch noch mit den gebäudespezifischen Schwachstellen zu tun.

Fazit:
Es gibt keine Gewichtsträger unter den Pferden!

Ein instabiles Skelett muss muskulär stabilisiert werden, um den eigenen Körper schadensfrei zu tragen. Wenn auch noch Gewicht auf den Rücken eines Pferdes soll, gehört dazu ein spezielles Training, welche die Hängebrückenkonstruktion, des Pferderückens, festigt.