Das Hufbein (auch „P3“ oder „Distal Phalanx“) ist der unterste Knochen im Pferdebein – es liegt innerhalb der Hufkapsel und wird durch den Hufbeinträger fest „aufgehängt“. Der Hufbeinträger ist ein Zusammenspiel aller Strukturen zwischen Hufkapsel und Hufbein, darunter zu verstehen sind netzförmige Bindegewebsfasern, verzahnte Hornblättchen und Lederhautblättchen – ähnlich einem Klettverschluss. Diese Verbindung sorgt dafür, dass das Hufbein perfekt in der Hornkapsel sitzt und stabil bleibt, es wird auch als Lamina bezeichnet.
So kann man sich den Hufbeinträger vorstellen:
Eine Seite des Klettverschlusses haftet an der Hornkapsel und die andere Seite am Hufbein. Die Verbindung ist extrem stark, doch umso mehr der Klettverschluss geöffnet ist, umso instabiler ist die Verbindung.
Bei gesunden Pferden und stabilen Hufen funktioniert der, gut durchblutete, Hufbeinträger als wichtigster hydraulischer Stoßdämpfer:
Beim Auffussen dehnt sich der Huf leicht aus → der Druck auf die gut durchblutete Huflederhaut (inkl. Hufbeinträger) steigt. Dabei wird venöses Blut aus dem Huf „herausgedrückt“ – ähnlich wie bei einer Pumpe. Beim Abheben des Hufs entsteht ein Unterdruck → neues, frisches Blut fließt nach.
Dieser Mechanismus unterstützt den Rücktransport des Blutes zum Herzen – besonders in den weit vom Herzen entfernten Gliedmaßen.
Bei kranken Pferden (Stoffwechselstörungen bspw. EMS, Cushing) oder bei unphysiologischen Druckverhältnissen im Huf, kann der Hufbeinträger Schaden nehmen (sieht man auf dem obigen Model sehr gut, dass sich die weißen Fasern in der rosafarbenen Schicht verändern), dann spricht man auch von einer Laminitis / Hufrehe.
Zu EMS hatte ich bereits einen Artikel geschrieben: siehe auch [Frage] Was ist EMS (equines metabolisches Syndrom)?
Bei unphysiologischen Druckverhältnissen der Hufe spielen natürlich die Bearbeitungsintervalle (zu lange Intervalle mit immer wieder radikalen Bearbeitungen), Bodenbeschaffenheit (zu hart, zu weich für die aktuelle Hufsituation), Hufschutz (bspw. Eisen verändern die Lastsituation) und zu flache oder zu steile Hufstellung eine Rolle. Wenn die Lederhäute nicht vernünftig durchblutet werden können, dann verliert der Hufbeinträger seine Funktion (teilweise) und es kann zu partiellen Überdehnungen und Einrissen führen, was das Hufbein in der Kapsel absinken und später (durch die veränderten Druckverhältnisse) rotieren lässt – was dann eine Hufrehe ergibt.
Der Hufbeinträger auf Röntgenbildern:
Das Lesen von Röntgenbildern wird in der Ausbildung (von Hufbearbeitern, Trainern, Therapeuten) und im Studium (von Tierärzten, Hufschmieden) nicht immer gelehrt oder bedauerlicherweise nur stiefmütterlich behandelt!
Es ist also Sache des Menschen sich danach zielgerichtet weiterzubilden oder sich anderweitig zu helfen. Meistens werden Röntgenbilder daher mit Markierungspunkten an den Hufen angefertigt. Ein gebogener Draht oder Reißzwecken, welche am Kronrand und oder an der Strahlspitze aufgeklebt werden. Wenn der Huf allerdings nicht direkt vor dem Röntgenbild bearbeitet wurde, sind diese Drahtmarkierungen meistens nicht zielführend, weil überschüssiges Horn die exakten Klebestellen verdeckt und so falsche Rückschlüsse gezogen werden. Daher ist es wichtig, den Hufbeinträger und auch die Lage des Hufbeins (ohne geklebte Markierungen am Huf) feststellen zu können. Mit dem richtigen Kontrast und Winkel ist es sehr gut möglich den Hufbeinträger abzulichten und daraus abzulesen, wie das Hufbein in der Kapsel steht:
Hufrehe beim Pferd – akut, schleichend & chronisch erklärt
Hufrehe gehört zu den gefürchtetsten Krankheiten beim Pferd – nicht nur wegen der extremen Schmerzen, die sie verursacht, sondern auch wegen der Gefahr dauerhafter Schäden bis hin zur Unreitbarkeit.
Besonders tückisch: Sie kann sich schleichend entwickeln und bleibt dann oft lange unentdeckt. Hier beschreibe ich die drei Hauptformen der Hufrehe: akut, schleichend und chronisch.
Akute Hufrehe – Der Notfall
Die akute Hufrehe ist ein veterinärmedizinischer Notfall und entwickelt sich innerhalb weniger Stunden bis Tage. Dabei entzündet sich die Huflederhaut – das empfindliche Gewebe zwischen Hufbein und Hornkapsel. Es kommt zu einer gestörten Durchblutung, die im schlimmsten Fall zu einer Absenkung oder Rotation des Hufbeins führt.
Ursachen:
• Futterumstellung / Überfütterung mit Kohlenhydraten (z. B. frisches Gras, Getreide, Zucker)
• Nachgeburtsverhalten bei Stuten (Plazentaverbleib)
• Belastungsrehe bei Lahmheit
• Stress, Vergiftungen, Koliken
Symptome:
• Plötzliche Lahmheit (meist vorn)
• Pferd steht mit nach vorn gestellten Vorderbeinen (sog. „Rehehaltung“)
• Hufe sind warm, Pulsation an der Fesselarterie
• Schmerzhaftes Abtasten der Hufsohle
• Widersetzlichkeit beim Gehen oder Drehen
Sofortmaßnahmen:
• Tierarzt rufen!
Schleichende Hufrehe – Die stille Gefahr
Diese Form entwickelt sich langsam, oft über Wochen oder Monate – meist unbemerkt. Sie tritt häufig bei leichtfuttrigen Pferden oder Ponys auf, die zu viel Energie aufnehmen (v. a. durch Weidegras oder Kraftfutter) und gleichzeitig wenig arbeiten.
Ursachen:
• Dauerhaftes Übergewicht
• Überfütterung mit Kraftfutter / Gras
• Unzureichende Bewegung
• Stoffwechselstörungen (z. B. EMS, Cushing)
Frühe Anzeichen:
• Engere Wendungen werden zögerlich
• Leichte Taktunreinheiten auf hartem Boden
• Flache oder verbreiterte weiße Linie am Huf
• Rillen an der Hufwand (Wachstumsstörungen)
• Wiederkehrende Empfindlichkeit beim Hufauskratzen
Wichtig: Schleichende Hufrehe wird oft als „Unlust“ oder „Zickigkeit“ fehlinterpretiert!
Chronische Hufrehe – Wenn Schäden bleiben
Wird die akute oder schleichende Rehe nicht rechtzeitig behandelt, kann es zu dauerhaften strukturellen Schäden im Huf kommen. Das Hufbein kann sich absenken und dann rotieren, im schlimmsten Fall sogar durch die Sohle brechen. Die Senkung ist immer der erste Punkt, wenn das Hufbein nicht mehr richtig „hängt“ und das Pferd dann läuft, rotiert die Kapsel – der Klettverschluss öffnet sich.
Merkmale der chronischen Hufrehe:
• Deformierter Huf (z. B. „Rehebuckel“, rinnenartige Wachstumsstörungen)
• Permanente Lahmheit oder Entlastungshaltung
• Eingeschränkte Leistungsfähigkeit
• Hufbeinsenkung und -rotation im Röntgen sichtbar
• Veränderter Hufmechanismus
• Pulsation
Langzeitmanagement:
• Regelmäßiger Hufbearbeitung (nach Röntgenbild angepasst)
• Schmerztherapie & Entzündungshemmung
• Gewichtskontrolle, Stoffwechsel-Diät
• Bewegung unter tierärztlicher Kontrolle
• Engmaschige Betreuung durch Tierarzt & Hufschmied
Fazit
Hufrehe ist mehr als „nur“ ein Hufproblem – es ist ein komplexes Krankheitsbild mit systemischen Ursachen. Früherkennung ist entscheidend! Egal ob akut, schleichend oder chronisch – wer sein Pferd gut beobachtet, auf Anzeichen achtet und im Zweifel schnell handelt, kann viel Leid verhindern.