[Blog] Die Sache mit der Winter-Wurmkur

Aktuell treffe ich auf viele Pferdebesitzer, welche sich auf den 06.12. freuen – nicht nur wegen des Nikolaus, sondern wegen der Nikolaus-Wurmkur. Nein, der arme Nikolaus soll nicht entwurmt werden, aber unter den Pferdeleuten hat sich der 06.12. als Wurmkurtag eingeprägt.

Interessiert, an neuem Wissen?
Hier erfährst du mehr zur „Winterbehandlung“ und generell zur Entwurmung:

Bei der Winterbehandlung möchte man in erster Linie 2 Endoparasiten (Parasiten im Inneren – also Darm oder Gewebe) behandeln.

1. Die Magendassel

Die Dasselfliege legt ihre Eier, im Flug, am Pferd ab. Das sind diese kleinen gelben Punkte, meistens an den Pferdebeinen oder auch an der Mähne. Diese Dassellarven sind so verklebt, dass das Pferd einen leichten Juckreiz erfährt und die Larven abknabbert. Durch den Speichel (PH Wert ~ 7 / basisch) lösen sich die Larven und landen im Pferdemaul. In der Mundschleimhaut entwickeln sie sich weiter (Entwicklungszeit ca. 6 Wochen) und werden abgeschluckt, bis sie sich an der Magenschleimhaut festbeißen und überwintern. Zur nächsten Weidesaison (ca. 8 Monate) „lassen sie los“ und sind im Kot der Pferde zu finden. An der frischen Luft entwickeln sie sich dann zur Dasselfliege und das Spiel beginnt von vorne.

Die Magendassel kommt also auch ohne Behandlung wieder raus, aber die Magenschleimhaut leidet ungemein, wenn sich die Dassel dort über längere Zeit festbeißt.

ACHTUNG! Die Pferde-Dassel ist eine andere als die für Rinder oder Wildtiere. Es gibt immer wieder Geschichten, über Larven, welche sich in der Nase festsetzen, zum Gehirn wandern oder im Körper Eiterherde produzieren, welche dann aufplatzen etc., dies passiert bei der Pferde-Dasselfliege NICHT!

Eine gute Prävention ist es allerdings dennoch so viele Larven wie möglich vorab zu beseitigen, damit das Pferd die Larven erst gar nicht aufnimmt. Man kann die betroffenen Stellen mit einer Lösung aus Basenpulver und Wasser reinigen und die Larven so abwaschen. Reines Wasser funktioniert nicht, weil der PH Wert des Wassers tatsächlich im basischen Bereich liegen muss. Einfacher ist es daher, ein „Dasselmesser“ zu nutzen. Dieses gebogene Messer (mit scharfer Klinge) ist verletzungsfrei für das Pferd, kratzt allerdings die Dassellarven gut vom Fell. Auch Fingernägel sind gut geeignet, um die Dassellarven abzuschaben, hier muss jeder selber wissen, ob man dies mit ruhigem Gewissen machen möchte. Schließlich können die Larven auch unter den Nägeln haften bleiben und nicht immer kann man sich gründlich die Hände waschen …

WICHTIG! Auch wenn man regelmäßig alle Larven vom Pferd entfernt, ist nicht sichergestellt, dass man alle erwischt hat. Ggf. hat das Pferd Fellpflege mit einem anderen betrieben und dort ein paar Larven aufgenommen oder man war einfach nicht schnell genug. Daher gilt: Bei Dasselsichtung gibt es eine Wurmkur, um die Magenschleimhaut zu schützen. Und das FRÜHESTENS 6 Wochen nach der letzten Sichtung – aufgrund der Entwicklungszeit in der Maulschleimhaut, siehe oben.

2. Bandwurm

Der in Deutschland beheimatete Bandwurm benötigt zur Weiterentwicklung die Moosmilbe – weil nicht auf jeder Wiese die Moosmilbe vorkommt und Bandwurm immer auch ein Bestandsproblem ist, ist der Bandwurm gar nicht so verbreitet wie angenommen. Studien sprechen von einem 20 %-igem Befall bei Pferden in Deutschland mit Bandwurm. Bandwürmer scheiden nicht kontinuierlich Larven aus, wie bspw. andere Würmer, daher sind sie schwerer (in einer Kotprobe) zu diagnostizieren. Mit einem Speicheltest ist dies aber immer möglich.

WICHTIG! Wenn gegen Bandwurm entwurmt wird, dann für alle Pferdes des Bestandes.


Wegen der Magendassel und des Bandwurmes wurde früher zum 06.12. entwurmt. Die Pferde kamen Anfang Oktober von der Weide und so hatten die, auf der Weide aufgenommenen, Larven genügend (6-8 Wochen) Zeit, sich so zu entwickeln, dass die Wurmkur alle Stadien der Endoparasiten erreicht. Aufgrund der Klimaerwärmung bleiben die Pferde nun aber länger auf der Weide und können so weiterhin Larven aufnehmen oder auch die Dasselfliege fliegt länger. Der zeitliche Abstand von Weideabtrieb / Flugzeit der Dasselfliege stimmt daher nicht mehr mit dem 06.12. überein. Die Entwurmung zum Nikolaus wäre somit nicht zielführend, weil es einfach zu früh ist, um alle Stadien der Entwicklung zu erreichen. Dies bedeutet (wenn man zum 06.12. entwurmen würde), dass man den Pferdekörper erst mit einer Wurmkur belastet und danach die Magendasseln einwandern.

Zudem kommen noch die Strongylidenlarven, welche kontinuierlich ausgeschieden werden, ab 10 °C aktiv sind und sich in ca. 10-14 Tagen (an der Luft) zum neuen infektiösen Larvenstadium entwickeln.

Wir unterscheiden hier in kleine Strongyliden (etwa 98 % in Beständen nachgewiesen) und große Strongyliden (etwa 2 % in Beständen nachgewiesen).
Die großen Strongyliden kommen nur selten vor, weil sie in Deutschland fast ausgerottet sind. Hauptsächlich findet man diese bei Importpferden oder in Beständen, in denen lange kein vernünftiges Entwurmungsmanagement bestand.

Bei einem geringen Befall machen die kleinen Strongyliden keinen Schaden – komplett wurmfrei bekommt man kein Pferd, aber ab einer bestimmten Menge (ab ca. 200 EPG / Eier pro Gramm Kot) sollte man über eine Entwurmung nachdenken. Bei einem höheren Befall können die Strongyliden Durchfall, stumpfes Fell, Koliken oder auch Gewichtsverlust auslösen.

Die großen Strongyliden sind hingegen in ihrer Schadwirkung schlimmer, diese wandern durch die Darmschleimhaut und können so zu einer Gefäßschädigung führen, welche zu Lahmheiten, Koliken oder auch zum Tod führen können.

Ein sauberer Stall / Auslauf / Weide ist daher eine sehr gute Prävention gegen Strongyliden.

Wenn die Temperaturen also über 10 Grad sind und die Pferde noch auf der Weide stehen, ist die Chance groß, dass die Pferde weiterhin Strongylidenlarven aufnehmen.

Nochmals: Eine Entwurmung ist daher nicht am Datum festzumachen, sondern an der Haltung der Tiere und der Sichtung der Dasselfliege.


Um erstmal einen Überblick über den Wurmstatus deines Pferdes zu haben, empfehle ich eine Kotprobe bei einem Labor der AG ZSE (Arbeitsgemeinschaft Zeitgemäße Selektive Entwurmung) überprüfen zu lassen.

Es gibt viele Anbieter im Internet, welche Kotproben untersuchen und auch Tierarztpraxen bieten diesen Service an. Wie aber überall ist nicht geregelt, nach welchen Kriterien untersucht wird und vor allem WIE!

Viele Unternehmen und Praxen arbeiten mit KI (künstlicher Intelligenz) und diese Maschinen müssen erstmal lernen. Keine künstliche Intelligenz ist von Natur aus intelligent. Die künstliche Sache kann nur das, was wir ihr beibringen – siehe auch: [Blog] KI zeigt falsche Vorstellung der Reiterei.
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die KI nur das auswerten kann, was sie denkt zu wissen. Viele Proben enthalten Lufteinschlüsse, was unter dem Mikroskop aussieht wie ein Ei und schon ist der Befund zu hoch oder die KI denkt, dass ein Ei nur ein Lufteinschluss ist und zählt den Befund als zu niedrig. Auch ist die Menge an Kot und Wasser (Mischungsverhältnis) nicht geregelt, sodass auch hier unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten sind.

Bei der AG ZSE ist die Menge an Kot, Menge an Wasser und der ganze Vorgang standardisiert, sodass man hier vergleichbare Ergebnisse produziert. Zudem bieten die Labore der AG ZSE nicht nur Ei-Auszählungen an, sondern bereiten die Proben auch auf und bieten Larvenaufzuchten an (gerade bei den Strongyliden wichtig!).

Zudem erhält man bei den Laboren der AG ZSE eine fachlich kompetente Beratung und eine Wirkstoffempfehlung. Die weitere Vorgehensweise wird ebenfalls abgesprochen. Auch wenn es noch andere Wurmbefunde gibt (oben sind nur drei aufgeführt, natürlich gibt es noch mehr).

Wie und wann ihr jetzt entwurmt, ist natürlich eure Sache, aber im Sinne des Pferdewohles rate ich dazu, sich an ein Labor zu wenden und kompetente Beratung in Anspruch zu nehmen. Anbei findet ihr die Webseite der AG ZSE:

AG Zeitgemäße Selektive Entwurmung – Labore


Weil die Fragen immer kommen:

Frage:
So bezahle ich aber die Kotprobe und die Wurmkur, das ist ja teuer als nur die Kur, welchen Vorteil soll das bringen?

Antwort:
Mit einer Kotprobe ist die Anzahl und die Art der Würmer bekannt. Es kann daher gezielt nach einem Wirkstoff gesucht werden, der zum Wurmbefall passt.

Oder nimmst du bspw. 4x im Jahr prophylaktisch ein Antibiotikum? Eben, was nicht muss, das muss nicht! Und wenn es muss, dann bitte auch das passende Medikament 😉

Frage:
Bekommst du Provision?

Antwort:
Nein! Ich mache das, weil mir die Pferdegesundheit am Herzen liegt! Daher bin ich immer für die Aufklärung und das überall! Hier ein Bild von der Reitsportmesse in Magdeburg 2020:

Frage:
Entwurmst du deine Pferde auch selektiv?

Antwort:
Ja! Seit 10 Jahren werden meine Pferde selektiv entwurmt. Auslöser war, dass ein Pferd extreme Reaktionen auf eine Wurmkur zeigte. Daher wollte ich ihm unnötige Wurmkuren ersparen. Überraschend war dann, dass er immer unter der Nachweisgrenze (20 EPG / Eier pro Gramm Kot) lag und ich nur eine Wurmkur im Jahr geben musste – die zur Winterbehandlung. Seit wir unseren eigenen Stall führen, kann ich daher alle Pferde auf eine Kur pro Jahr reduzieren und selbst Hochausscheider (über 800 EPG) sind mit diesem Management zu Niedrigausscheidern (um die 60 EPG) geworden. Zudem ist es besser für das Pferd und auch für den Boden. Weniger Chemie erlaubt ein besseres Bodenleben (Regenwürmer, Käfer, Maulwürfe), was die Weide üppiger werden lässt.